Interview mit unserem Schiedsrichter Julien Belzer
Hallo Julien, vielen Dank für deine Zeit und deine Bereitschaft zu diesem Interview.
Du bist seit 2018 Mitglied bei uns im Verein und hast zeitweise – parallel zu deinem Engagement als Schiedsrichter – auch in unserer Reservemannschaft mit gekickt. Mittlerweile konzentrierst du dich voll auf den Job als Schiedsrichter. Wann hast du gemerkt, dass du Bock darauf hast Fußballspiele zu leiten anstatt selbst mitzuspielen? Gab es da irgendeinen Schlüsselmoment bei dir?
Hallo Steffen, schön das ich heute hier sein darf. Ja ich habe tatsächlich seit ich 4 Jahre alt war Fußball gespielt. Habe alle Jugenden durchlaufen und dann 2013 mit dem Pfeifen begonnen. Das ging auch einige Jahre ganz gut parallel, nur als ich dann gemerkt habe ich kann auf der Karriereleiter nach oben kommen und bin dann ich höhere Spielklassen vorgedrungen, musste ich mich entscheiden. Da dass ganze auch immer Zeit und auch Trainingsintensiver wurde. So hab ich mich für den Weg als Schiedsrichter entschieden. Der Schlüsselmoment war wahrscheinlich dann 2021 mit meinem Aufstieg in die Verbandsliga und Junioren Bundesliga. Nichts desto trotz hat mir das Spielen beim FK Clausen immer sehr Spaß gemacht und würde es wahrscheinlich auch immernoch.
Ganz so untalentiert warst du als Fußballer ja auch nicht, wenn ich das so als Zuschauer von der Seitenlinie aus sagen darf. 😉
Laut meinen Unterlagen hattest du letztes Jahr 87 Einsätze als Schiedsrichter. Das ist ja ein unglaublicher Zeitaufwand, den du da betreibst. Und da sind die ganzen Vorbereitungen, das Training, etc. gar nicht mit dabei. Abseits von dem zeitlichen Aufwand, welche Herausforderungen begegnest du häufig als Schiedsrichter?
Ja 87 Spiele kommt hin. Der Zeitaufwand mit den teilweise weiten Reisen durch halb Deutschland ist natürlich enorm. Aber es macht ja auch Freude. Neben den Herausforderungen auf dem Platz ist es natürlich auch wichtig immer den richtigen Fokus zu finden. Die Körperliche Fitness ist selten das Problem, die Schwierigkeit ist oft eher Mental. Bei so einer vielzahl an Spielen ist es natürlich schwer sich immer gleich zu motivieren. Gerade am Ende einer Spielzeit, ist man oft Mental ausgelaugt. Dennoch muss man immer bei 100% sein, ansonsten geht ein Spiel schief. Und natürlich trifft man auch immer auf neue Spielercharaktere, auf die man sich immer neu Einstellen muss. Den nicht jedes Spiel kann auf die selbe Art und Weise geleitet werden.
Ich glaube das gerade dieser mentale Aspekt sehr häufig übersehen wird. Wie bereitest du dich auf ein Spiel vor? Ist das im Detail bei so vielen Spielen überhaupt individuell möglich?
Klar, also neben der Trainingswoche kann man sich auch durch Statistiken vorbereiten. Zum Beispiel Fairnesstabelle etc. So bekommt man einen Eindruck eines Teams, natürlich kommt man auch öfter mal zu den gleichen Vereinen und kennt die Schlüsssselspieler, welche man stillhalten muss oder auch auch seine Seite ziehen muss. Denn diese haben großen Einfluss auf ihr Team. Natürlich schaut man sich auch die Tabelle an. Aber man darf auf all diese Dinge nicht zu viel Wert legen und nie voreingenommen sein. Denn im Fußball ist immer alles möglich und oft kommt es anders als man denkt.
Mittlerweile pfeifst du in der Oberliga und bist Assistent an der Linie bei Regionalligaspielen. Unter anderem am Bieberer Berg vor 12.000 Fans, was sogar in der Zeitung statt. War das bisher besonderste Spiel für dich? Oder gibt es ein anderes Spiel, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Wenn ja, warum?
Also natürlich ist ein Spiel vor so einer Kulisse etwas ganz besonderes, die Stimmung, der Flair hat natürlich seinen Charm. Ich hatte einen Tag spä1ter noch ein Testspiel mit Christian Dingert in der Mewa Arena in Mainz, zwischen Mainz 05 und dem Premier League Klub Burnley FC. Solche Spiele im Absoluten Profibereich machen natürlich einfach Spaß und bleiben einem in Erinnerung. Aber auch Ende letzter Saison hatten wir ein Jugendländerspiel Deutschland – Frankreich, wenn dann die Nationalhymnen gespielt werden. Bekommt man natürlich auch ein ganz besonderes Gefühl.
Wow, richtig beeindruckend. Das führt natürlich zu der Frage, wo es für dich noch hin geht? Was sind deine Ambitionen und wann sehen wir doch in der Bundesliga pfeifen? 😉
Natürlich sollte es immer das Ziel sein so weit wie möglich und so erfolgreich wie möglich zu sein. Allerdings bin ich ein Freund der Bescheidenheit, mit 24 Jahren muss man auch sagen ist man im Schiedsrichterwesen schon recht alt im Bezug für weiter nach oben. Natürlich ist noch alles drin, aber man muss realistisch bleiben. Aber natürlich sollte es für jeden das Ziel sein ganz nach oben zu kommen. Aber aktuell bin ich sehr zufrieden wie weit ich es bereits geschafft habe.
Klingt nach einer sehr vernünftigen und guten Einstellung. Wie gehst du eigentlich mit Kritik von Spielern, Trainern oder Zuschauern um? Als Schiedsrichter ist ja häufig mindestens ein Team unzufrieden mit deiner Leistung, oder? 😉
Also Kritik der Zuschauer ist mir relativ egal, da ich ein recht kommunikativer Typ bin Versuch ich bei aufkommender Kritik oft mit den Trainern zu sprechen. Tatsä1chlich hab ich’s relativ oft das beide zufrieden sind. Natürlich gibt es immer mal Ungereimtheiten, aber mit sachlicher Kritik kann ich sehr offen umgehen und bin auch gerne bereit darüber zusprechen. Schiedsrichter sind alle nur Menschen und machen Fehler. Aber keiner macht diese Fehler mit Absicht. Außerdem macht jeder Spieler auf dem Feld mehr Fehler als ein Schiedsrichter. Sowas sollte allen Akteuren bewusst sein.
Also gab es noch nie Situationen, in denen du beschimpft oder angegangen wurdest?
Natürlich gibt es immer mal verbale Angriffe. Aber so traurig wie das klingt, ist man dagegen schon abgehärtet und hat ein „dickes Fell“ entwickelt da es leider zum Alltag eines Schiedsrichters gehört. Körperlich wurde ich zum Glück bisher noch nicht angegangen.
Na Gott sei Dank. Ich selbst habe die Schiedsrichterausbildung beim SWFV auch absolviert, bin aber nie aktiv als Schiedsrichter geworden. Die Vorstellung jedes Wochenende unterwegs zu sein, um vielleicht doch nicht alles richtig machen zu können und sich beschimpfen zu lassen, war dann doch nicht motivierend für mich. 😉
Was glaubst du, sind die wichtigsten Eigenschaften, die ein Schiedsrichter haben sollte?
Das ist schwierig, da man sehr vielseitig agieren muss. Man darf sich nie aus der Ruhe bringen lassen. Man sollte Entscheidungsfreudig und Selbstbewusst sein. Allerdings sollte man auch Konfliktfähig sein, man muss aber auch eine gewisse Lockerheit und Gelassenheit mitbringen. Natürlich ist es nicht verboten auf dem Platz mit den Spielern auch mal zu lachen oder einen kleinen Witz zu bringen.
Was würdest du jemandem raten, der darüber nachdenkt, Schiedsrichter zu werden?
Definitiv diesen Schritt wagen, man bekommt neben einem neuen Blick auf diesen Sport so viele andere Dinge und Werte vermittelt. Man entwickelt sich persönlich enorm weiter und lernt fürs Leben. Man lernt viele nette und neue Menschen kennen. Und je nachdem wie weit man es schafft bereist man viele Städte und sieht sehr viel.
Julien, vielen Dank für dieses tolle Interview und deine Zeit. Hat wirklich sehr viel Spaß gemacht und ich durfte nochmal viel über das Schiedsrichterwesen aus erster Hand lernen. Dankeschön!
Vielen Dank Steffen!